Bitte beachten Sie, dass wir an dieser Stelle das Original-Layout des Buches nicht übernehmen konnten, da es sich auf einer WEB-Seite nur darstellen läßt, wenn man hohe Ladezeiten in Kauf nimmt. Der gesamte Text ist durchzogen von Bildern und Kopien von Originalaufzeichnungen, die den Text teilweise gliedern. Wir haben den Text hier jedoch nur als Fliesstext eingefügt.

 

Leseprobe Seite 17-22

 

Der Vorbote / Juli 1993

In der Spielzeugabteilung im zweiten Stock hat es mich erwischt. In der Spielzeugabteilung ging es mir ganz erbärmlich — ohne Vorankündigung. Mittendrin ging bei mir das Licht aus. Das Gedächtniss stellte seinen Dienst ein. Das dauerte keine Minute — dann war alles wieder da. Das war so als wäre nicht gewesen.

Ich ging zu Ohrenarzt. Die Ohren waren es nicht. Er schickte mich zu Neurologen. Der konnte auch nicht feststellen. Er machte einer Adernvergleichtest mit seiner Frau aus. Den Test erlebte ich leider nicht mehr.

 

Die Tage bevor das Unglück einsetzte / September 1993

Erst hatten wir eine Radtour unternommen, die uns von Wien die Donau entlang bis nach Budapest bringen sollte. Das war sehr schön — und das haben [wir] richtig genossen. Und darauf, den Sonnabend, sind wir nach Wyk gefahren.

Das wir das Flugzeug nicht genommen haben, hängt damit zusammen, daß das Luftfahrzeug irgendwo eine Macke hatte, die nicht so schnell gelöst werden konnte. Darum sind wir mit dem Auto hingefahren — und wollen Montag zurück kommen. So sah unser Plan aus.

[Die nun folgenden Aufzeichnungen entstanden 1995 und wurden ebenfalls unverändert übernommen. An manchen Textstellen haben wir für den Leser eine Art ‘Übersetzung’ in Klammern beigefügt.]

He, das war ein Spaß. Der Zauberberg — ein Spiel aus 12 Karten die mit einem Zauberband verbunden war, und die es mit viel Liebe so verbunder war. Und das andere war ein Trich das die Stufen und andere Höhe herausfoderen sollte. Ja, das war Wyk auf Föhr — der Jahrmarkt. [Hierbei handelt es sich um ein Holzspielzeug, bestehend aus flachen Holzstücken, die durch Bänder miteinander verbunden sind. Wenn man das erste Holzstückchen (in Größe einer Spielkarte) richtig greift, fallen die anderen treppenförmig nach.]

Einen Schlückchen nehme bei Herta und Inge und dann ab ins Bett. Natürlich oben ins das feudale Zimmer — denn es war ausser uns kein Gast da.

Ja, und dann ist es so weit: Ich könnte nicht mehr laufen. Sie haben es versucht mit auf die Toiltete zu gehen. Es war eine kleine Katastrophe und ich kann mich gar nicht mehr erinnern.

Zuerst kam der Arzt dran der mit meinem Eltern am längsten bekannt war — der aber sagte gleich ins Krankenhaus. Es ist gleich bei uns um die Eche.

Und da mekrhte ich, das auch mein Arm recht gelähmt war. Mein rechtes Bein und der rechte Arm ließen nicht, aber auch gar nicht bewegen.

Ich konnte das gar nicht beigreifen. Nachts flog ich aus dem Bett, und holte mir ein Platzwunde, weil ich nicht beigreffen konnte was wohl mit mir geschehe sei. Ich könnte es nicht begreiffen.

Meine Frau hat meine Söhne auf die Insel bestellt. Meine Schwärgirin, die Schwester meiner Frau erschiene. Aber ich kriegte das nicht mit. Es war als würde ich im Halbschlaf liegen. Aber ich sehe die Ärzt und den Pfeger wohl für mir. Und einer hat mir immer Aufgaben gegaben. Und nach dem 3 oder 4 Tag merkte ich, daß ich nicht mehr sprechen könnte. Ja, das was uns Spaß macht, das war weg und zwar vollkommen weg.

Und nun kam das Altaner Krankenhaus [Altonaer Krankenhaus, Hamburg] dran. Dazu brauchte es einen Krankenwagen auf dem Schiff und dann einen der die Fahrt von Dagebüll nach Hamburg macht.

Ja, nun war ich ganz sicher: Ich konnte mich nicht bewegen weil mein rechtes Bein gelämt war. Ich konnte mein rechten Arm nicht gebrauchen, weil auch der gelähmt was. Und das Allerschlimmste — ich konnte mein Mund bewegen aber es kum nicht raus, gar nichts. Das war mein schlimmste Übel. Alles konnte ich denken, alles konnte lesen (na ja zurerst sehr varhalten) alles konnte ich machen — zum Beispiele Bleispleite [Anm. d. Autors: Gedankenlesen, das gesprochene Wort verstehen] machen und so weiter. Aber Rechnen ging ganz schwer. Und konnte ich auch nicht. Und die ganze Sprache und die ganze Schrift war weg — einfach weg.

Hier im Altonaer Krankenhaus müßte ich auf Herz und Lunge geprüft und mein Kopf untersuchst. Ja und das wohl raus gekommen: Die linke Seite im Kopfe (mit rechten Seite im Köper vereinst) war zugeschüttelt und hatte das rechte Bein, den rechten Arm und das Sprachzentrum totgelegt. So müßte man denken und so auch reagieren. Das einzige was man tun kann ist — neue Sinneroganie, neue Nervenzellen für die die alten, unbrauchbar geworden, zu finden. Und das geht — nur sehr langsahm und mit einem gehörigen Druck.

Hier bin ich erstmal so richtig zur Ruhe gekommen. Hier habe alle meine Jazzfreunde gesehnt — jedefalls die Meikels. Und die Verwandten. Und die Freunde. Und alle habe mich reich beschenkt — aber ich konnte nicht wickliche dringendes gebrauchen weil ich nicht mit anfangen konnte.

Mein Schwager — der Mann meiner Schwester — brachte seinen Domino mit. Ein Spiel welches ich gut spielen konnte und auch mal gewann.

Und alle Schwester und Pfleger waren sehr nett und sehr zuvorkommend. Erst bekamen ich das Scheissen und das Pippimachen gleich im Bett praktiezert aber dann ging schon aufs Klo. Und hier gings es auch zum Waschen. Mein Nachbar war ein Talleymann aus dem Hafen. Es mußte ein Rückchenteilchen gewekhst zu werden. Das ist ganz wichtig und der hing immer am Stehen wenn er gegessen hatte. [Besagter Mann hatte eine Bandscheibenoperation hinter sich und mußte im Stehen essen] Mit dem Telefoniere ich noch heute — weil es da St. Pauli-Kartein gibt. Seine Frau macht jedenfalls die VIP-Lounge. Inzwischen haben Sie geheiratet und wir waren mit eingeladen zur Polterhochzeit.

So und nun habe ich zwei Kinder — Jungs. Und ich habe ordentlich was hinterlassen und habe eine erhietzung hinterlassen die sich sehen lassen kann [Anm. d. Autors: Gemeint ist, daß die Kinder ordentlich erzogen sind]. Sie kamen ganz rasch hinter ein ander. Was dann in der Schule so passentiert sind, dafür haben kein Gefühl mehr. Aber wir haben Sie durchgebracht.

Aber zu hause da haben wir sie so gut es ging erzogen. Wir haben zum Beispiel auf dem Feld Getreide geertened. Jetzt ist alles bebaut, zum Beispiel durch das Albertineshaus [Albertinen-Haus]. Und dann haben Korn daraus gemacht und Brotchen gebacken. Dann haben wir ein Hörspiel aufgenommen mit unserem Nachbarskindern. Und wir haben Gesprenkkörper gemacht, vom Gartenschutzmittel und Flugzeuge haben wir gebastelt.

Und dann sind sie von uns weggezogen — aber sie haben wenigsten einmal pro Woche besucht. Martin studiert immer noch und zwar Architektur. Und Karsten macht den Laden mit.

Wir haben ihn erst nach Mühlhausen geschickt nachdem wir es [nach der Wende] wiederbekommen hatten. Und er hat die schönste Frau dort mitgenommen, als ich mich entschlossen habe den Laden abzugeben.

Und dann kam das mit meiner Erkränkung. Und da hat Martin sich ganz besondert bemüht. Er kam jeden 2. und dritten Tag und schob mich raus zugald es ging. Zum See am Krankenhaus. Oder ins Kaffee.

Und Freude und Verwandten kamen. Und wir gingen auch mal ins Cafe auf andere Brückenseite — ein einaliger Genuß. Da habe ich einem Mann kennen gelernt der hat mir [gesagt] er glaubt an mich! Oh wie habe den geschätzt.

Und war dach der Mann in meinem Zimmer. Der wurde an der Bandscheiben operiert und kriegte sein Essen immer im Stehen. Der war ganz niedliche und half immer wenn es was zu helfen gab.

Da kam zu Beispiel mein Geburtschtag. Da kam meine Frau ins Krankenhaus und mit brachte eine Zauberhand den mit brachte und aufstellte. Und Kuchen für die Schwestern und so weiter. Und ich konnte noch kein Wort sagen. Es war schrecklich. Aber es half ja nichts. Ich mußte ein Anfang finden — dann ging.

Und alle alle kommen — und keiner konnte reden — ja sie konnten sicher sein daß ich die Rede verstand — aber das war alles.

Jetzt ging es ab in Albertinenhaus — eine Klinik die es sich zur Aufgabe gemacht hat Schlaganfallspatienten zu helfen. Aber die nur Patienten auf, die alt und senil sind. Daß sie mich aufgenommen haben war ein Wunder.

Sie haben mich hingebracht in einem Unfallwagen. Und der fuhr schon so komisch auf die Autobahn in Ottmasschen [Othmarschen] daß da knallte. Und so mußte es die ganze Zeit warten, bis ein Polizeiwagen kam. Und inzwischen stand Martin da und wußte nicht was mit uns geschehe sei.

Hier kam ich zu Frau Dr. Ufer — eine wirklich tolle Frau. Und die Pfleger und Krankenschwester waren auch toll.

Hier mußte man sich so betten, daß die Krankenseite geschütz ist. Und frühmogens ging es raus zu waschen oder duschen. Das Dusch nähm immer sehr viel Raum ein. Da wär ich immer fertig [erledigt].

Mit mir hatten eine Patient den Raum bewohnt der auch nicht Sprechen und sich bewegen konnten. Aber der war noch viel älter als ich.

Und hier hatte alle meine Schulungungen. Und hier hatte ich auch Sprache unter Einfluß von Schultz. Und kam es zum ersten Mal das Mund bewegen kommen und es kam was heraus: die Puppe. [09.11.1993]

Ich mußte lernen was die Nase, die Zunge, das Zäpfchen tut. Da konnte ich schon unterscheiden, ob ich die Puppe, die Pappe, die Pumpe, der Pilz oder der Pelz sagte.

Und lauter Sprechübungen mußte ich machen. Das Sprechen bei geschlossenen oder bei offenen Lippen. Und dann mußte Papiertuch her und es mußte beweißen das so und so viel Luft bei geschlossen Mund und so und so viel Luft bei offenen Mund entströmt. Nur das ich mehrkte — ich kann sprechen wenn ich wollte.

Hier kamm ich erst mal richtig zur Ruhe und ich konnte überlegen was ich machte. Der Arm und das Bein konnte ich schon bewegen, natürlich sehr langsam. Im sitzen kannte mit der linken Hand mich waschen und anziehen — na ja nicht gut aber es ging. Ich konnte sogar die Schuhe zubinden weil ich eine Schleife gelernt hatte die man nur links macht. Ich konnte auch Speisen zu mir nehmen da ich das Brot auf ein Holzbrett legte das war mit Nägeln versehen. Und darauf schmierte ich die Butter.

Ich wußte nicht wann ich wieder gesund werden würde, aber das ich gesund wurde das war für mich ausser Fräge.

Und die lieben Freunde und Verwandten kam ohne Zahl. Die Verwandren, das ist meine Schwester und mein Schwager. Die haben sich ganz rührend um mich bemüht. Mein Schwager hat immer Domino mit mir gespielt — stundenlang. Und war da die Schwester von Meiner Frau, die Tante Reni mit ihren Mann. Auch die haben sich um mich bemüht. Mann darf ja nicht vergessen — ich war sprachlos — ja und hilflos. Aber ich war nicht allein. Die ganzen Verwandren, die Vettern und Nichtern, alle alle sind gekommen — und ich saß da, nur da und konnten alles aufnehmend was Sie so sagten — aber ich konnte ja selbst nichts sagen.

Und die Wanderfreunde kamen — einer nach dem andresen. Sie kamen und man mußte sehen — Sie erfreuhten mich aber ich konnte es nur so — wie es ist zeigen.

Und dann kamen die Lauffreunde Ulli und John — liebe gute Freunde. Ich habe Ulli seinen Rechner zurückgegeben weil da mit wirklich nicht anfangen konnte — die Sprache und besonderes das Rechnen hängen in meine Kopfe nicht hinein.

Und dann die Jazzfreunde. Wie ich wohl das Spielen vermißte. Da war mein allergrößter Wunsch das ich das wieder so hingerkeid — mein aller große Wunsch. Die Meikels waren das, um die Schnelsen Stompfers auch — das war ganz tröstlich. Und die haben mir CD’s mitgebracht. Und dann war nocht da dar Karnerehen [Anm. d. Autors: von der ‘Low Rabbit Jazzgang’] Wolf T. Und der wohnt mit sein neuen Frau gleich nehmen Frau Dr. Ufter. Und Walsdorfs und so weiter und so fort, die waren alle da.

Und noch einer war da: Erich ans Bleicherode und Martina und Mann Gehard und Sohn. Ja, das war eine Überraschung für mich. Und ich konnte nichts sagte, nur immer Lächeln das die anderen verstanden du verstehest was die andere sagen wollten.

Und dann sind wir essen geganngen, unsere Familie: das sind die Kinder und die "Schwiegertöchter" und Erich und seine Familie. Und ich wollte "Gesängekeule" bestellen, aber da kam man raus — und bis ich Martin das erklärt hab verging die Zeit — dann aber war das gegklärt.

Dann haben Sie mich wieder im in Krankenhaus abgeben und Sie haben mich noch einmal gedrückt.

Und dann kam Weihnachten. Und ich konnte zu hause bleiben. Das war eine Freude. Und die Kinder und die Schwiegertöcher in Spe und alle die uns mal besuchen wollten Alle wären Sie gekommen — und es gab köstliche Speise (ich glaube ein Ente). Was ich geschenkt kriegte kann ich nicht mehr sagen aber daß wichtigste ist ja die Gesundheit.

Dann kam Neujahr — auch einen Tag um hier zum Schlafen, im eignen weichem Bettchen. Und alle ware wieder da — die ganze Familie. Und früh morgen, na ja spätemorgen gabs Frühstucks. Und hienter gab es ein gemüteichen Spaziergang. Näturlich waren die Wege sehr matchig und es was gefährlich den Steg einzuhalten. Und so mußte ich menchen aufstehen und der Stuhl mußte getragen warden. Das war ganz neu für mich — aber mir gefällt das gut.

Einmal oder 2 mal bin ich ins Kino gegarngen — nd ein erwachsener Mensch mit aller Köpferteilen in Ordnung war schon dabei — ich bei erstermal war es meine Frau und anschliesen Martin Ich weiß nicht mehr was für Filme gegeben wurden — aber das wir fast alle im der Schau waren [Anm. d. Autors: ... daß wir das einzige Publikum waren, ... ], daß hat mich ein wenig gestört.

 

 

Leseprobe Seite 177-180

 

Das zweite und letzte Mal in Lindlar

Die Einzel-Sitzung / Juli 1998

Ich war ein bischen fortgeschrittener Schüler, die Aphasasie war in das letzte Stadium getreten. Haben die Lehrer noch Unterrichtsmaterial — können die mich überhaupt noch unterrichten?

Ich glaube es geht nur um die mündliche Aussprache um den mündlichen Vortrag. Es geht darum, mehr Energie in die Betonung der Worte zu legen.

Ein Gespräch mit Dr. Middeldorf brachte die Erkenntis — mal versuchen — mal sehen was dabei heraus kommt.

Ich hab als Lehrerinn Frau Diekmann. Die war mir wohlbekannt. Und ich war auch der Bekannt. Sie fragte mich sofort nach meinem Buch, oh Gott — drei Verlage haben sich gemeldet. Weiter bin ich noch nicht. Dann gab sie mir ein fürchterliches Rätsel auf: Die Schmetterlinge sterben aus — und das war ein langer Bericht warum sie aussterben. Und sie stellte ein paar Fragen dazu — und meinst du vielleicht ich hätte einige richtig — pustekuchen. Und dann, am Mittag, kam der Chef des Hauses, Herr Dr. Middeldorf. Ich sagte, ich wolltte noch mehr, noch natürlicher, noch klarar sprechen — ok, er akzeptiert das und schreibt in seinen Komputor:

Stimmkräftigung

Stabilisierung und Beschleunigung der Sprechpozesses

durch:

a) Erarbeiten von Themen – Inhalten

b) Konzipieren von Vorträgen

c) Halten dieser Vorträge unter rhetorischen Aspekten

Kommunikation:Erarbeiten von Kompensatorischen Redemustern und "Tricks" in der Kommunikation mit "Fremden"

Ja, wollen wir mal sehen, wie daß geht?

Und dann hab ich zum Schluß noch eine Praktikantin — eine die Logopädin werden möchte, eine ganz rührende Person. Die bringt Sachen an, oder läßt sie sich geben, Sachen, die gut sind für ein Referath. Stücke über die man Vorträge halten kann.

Mir ist schon in Norwegen aufgefallen, das ich mehr als früher im Kopf habe. Das ich von einer Geschichte die großen Kleinigkeiten behalten kann. Das geht wahrscheinlich so vor sich, hatte Herr Dr. H. erzählt, der auch ein Aneurisma hatte, wie so ein hamburger Spiel: Da werden Löcher in den Boden gebohrt, ganz viel, und dann wird ein Messer genommen, und dann machst du und dein Kollege mit dem Messer die Löcher zu — eins nach dem anderen. Und je mehr Löcher zu sind, je mehr abgestochen sind, um so mehr funktioniert das alles wieder. Was allerdings sehr lange dauern kann. Und dann kommt noch was hinzu — das geht nur, wenn du gut aufgelegt bist.

Na gut: Ich bin gut aufgelegt — und bei mir klappts.

Dann ist der Herr St. da, der Sportler. Er macht zwei Abend Gymnastik mit den Verletzen und ihren gesunden Angehörigen. Das ist ganz schön — da kommt man wenigsten ins Schwitzen.

 

Die Gruppen-Sitzungen / Juli 1998

Und dann kommen Gruppensitzungen dazu. Und die macht Dr. Middledorf. Da geht es einmal ums sprechen. Dann ums Singen. Herr Dr. Middledorf hat eine Guitarre und er spielt wunderbare Volkslieder. Die Volkslieder sind in einem Liederbuch abgedruckt und jeder Anwesende kriegt so ein Buch — und er kann singen — selbst wenn das Sprechen sehr schwer oder gar nicht geht. Wie geht das? Das geht durch die rechte Gehirnhälfte — das daß musische Ohr und alle die Worte, die da gepeichert, angesprochen wird.

Ach und neulich kam der Vorsitzende des Bundestages [Geschäftsführer der Bundestagsfraktion] der SPD [Peter Struck] und zahlreiche andere Gäste, und Zeitungreporter und wollten das Heim mal besuchen und Wahlprobaganda machen. Herr Dr. Middeldorf freute sich, daß sie kamen — kamen doch auch Presseberichterestatter — und daß war immer gut.

Herr Dr. Middeldorf erzählte die Geschichte des Heim. Das sie Zuschüsse beantraget haben. Aber vergeblich. Er hat zwei Leute gefunden, die Geld mit reingetan haben und die Deutsche Bank. Er hat 26 Patienten, wenn es richtig ausgebucht ist. Er kann schalten und wallten wie er es für richtig hält. Er wählt sich seine Logopädin selber aus und sein Büropersonal und sein Raumpfleginnen.

Und was hat er für Patienten. Zum größtenteil Schlaganfallpatienten, dann Verkehrsunfälle, dann Stotterer und dann alles mögliche — von Geburt an so aufgewachsen, zum Teil auch vom Krankenhaus nicht wieder auf die Beine gekommen. Und jeder, jeder ist verschieden — jeder ist unterschiedlich. Und allem soll man es recht machen.

Und deshalb ist so eine kleine Heilstätte für 26 Mann (oder Frauen und Kinder) ganz richtig. Und der Dr. Middeldorf ist auch die richtige Person — er lebt in seiner Welt — macht noch Vorträge und Veranstaltungen, liebt seine Guitarre und liebt es zu reisen. Mal nach Grönland, mal nach Japan, mal nach Amerika.

Ja, und das hat er auch noch erzählt: Er hat einen Text gemacht und damit ist er an den Versicherungsverband herangetreten und wollte eine gesamtzulassung für alle Krankversicherungen haben. Die haben sich Zeit gelassen ein dreiviertel Jahr — und dann haben sie geschrieben — wenn kein Arzt dabei ist könnten Sie das nicht genemigen. Da hat er drauf verzichtet.

 

Die Patienten / August 1998

Nein, ich habe es wirklich nicht so schwer mit meinem Schlaganfall. Alles kann ich wieder machen, na ja, fast alles. Und die Kasse bezahlt das meiste immer noch.

Der eine Mann war schwer sprachgestört und mußte sein Leben in einem Rollstuhl verbringen.

Vor zweienhalb Jahren sah es anderes aus. Er war Elektroingeneur in einer großen Firma und außerdem war ein Alleinunterhalter. Er hat Guittare gespielt. Vor zweienhalb Jahren ist es passiert: ein Herzstillstand und ein Herzinkfahrt und ein Schlaganfall. Die Ärzte und seine Frau haben ihn wieder so hingekriecht — so wie er da sitzt: Liegestuhl, abhängig. Er kann sich nicht waschen nicht ankleiden, nicht für Nahrung sorgen — und auch nicht sprechen. Ich fragte die Frau was werden soll wenn Sie der Rollstuhl nicht mehr bewältigt. Ja — dann muß er ins Heim.

Der junge war 24 Jahre alt. Vor sechs Jahren ist er in eine Diskont [Discothek] gegangen. Als er die Disco verlassen hat wurde er von 5 oder 6 Jugendlichen angegriffen, die nicht reingekommen waren — Sie hatten Naziparollen gebrüllt, und geschlagen auf dem armen Jungen, so geschlagen, daß der Ärzte gedacht haben, er sei tot. Er wurde wieder, jedenfalls konnte er gehen und sprechen — Aber das Sprechen fiel ihm sehr schwer. Die Täter wurden nicht gefaßt.

Er kriegt jetzt eine Rente von 650,-. Die Eltern leben noch beide — aber 650,- Mark — daß ist zum sterben zu viel und zum Leben zu wenig.

Jetzt läßt er sich umschulen auf Bürokaufmann. Früher, als die DDR noch existierte war er Betonbauer gewesen.

Da ist eine Mutter hier mit ihrem 12 Jahre alten Kind. Die Mutter ist Logopädin und wohnt in Österreich. Das Kind spricht kein Wort. Aber es schreibt Briefe so gut es geht. Und kommt mit dem Computor zu recht.

Aber er stört den Gruppen unterricht sehr, weil es immer im Mittelpunkt stehen will. Und das hat dem Kind auch keiner gesagt, daß hier verschiedene Interessen gibt, die alle befriedigt werden wollen.

Zweimal sind die Eltern in Amerika gewesen. Da gibt es einen Wissenschaftler der sich gut auskennt mit autischen Phenomen [autistischen]. Der hat sehr gute Arbeit geleistet — aber das ist auch sehr sehr teuer für die Eltern.

Für die Mutter ist nur wichtig, daß der Junge in einem Heim wohnen kann, wenn sie mal nicht mehr da sind — das ist das einzige Ziel.

Oh ja, es gibt sehr viele Schicksale, sehr viele Unglücksfälle, sehr viele Fälle mit Schädigungen. Meine Frau ist hier geradezu wahnsinnigkeit geworden. Mich kann das Einzelschal [Einzelschicksal] wohl berühren — aber generell läßt mich das kalt. Ich hab ja mit meinem eigenen Leid genug zu tun.

 

Startseite
Titelbild
Rezensionen
Zurück zum Katalogeintrag