Kölner Stadt-Anzeiger - Nr. 62 - Freitag, 14. März 1997 - RN 15

 

Festmahl mit Linsen

Als an der Steinbreche noch Kähne fuhren und Jungfrauen Aschenbrödel spielten: Cäcilie Kraus-Kolter erinnert sich

Von unserer Redakteurin Karin M. Erdtmann

 

Refrath - "Ohm Drickes" war ein Original. Als der Mann mit der Pfeife, der im Ort als Geschichtenerzähler bekannt war, 1934 90 Jahre alt wurde, bezeichneten ihn die Zeitungen als "Zeugen urechter Refrather Art, die unter dem Einfluß der nahen Großstadt immer mehr schwindet". "Ohm Drickes" war der Großvater von Cäcilie Kraus-Kolter, die jetzt ihre Lebenserinnerungen herausgebracht hat: "Schmetterlinge und Bomber" beinhaltet auf 200 Seiten "80 Jahre Erinnerungen - vom Ruhrgebiet zum Bergischen Land".

Die Autorin, Jahrgang 1915, versucht darin, Zeitgeschichte anhand stellenweise sehr persönlicher Erinnerungen aufzuzeigen. Das Buch der "hellwachen Zeitzeugin" soll, wie Bürgermeisterin Maria Theresia Opladen im Vorwort schreibt, "ein Stück Spurensicherung auch für unsere nachwachsende Generation sein" sowie "den Wert der eigenen Lebensgeschichte deutlich machen".

Die Geschichten der gebürtigen Hernerin, die seit 1933 in Refrath lebt, sind nämlich wirklich lesenswert. Da erfährt man beispielsweise, wie das Kölner Opernhaus früher seine Sommerfeste im Hotel Frankenforst feierte, daß für 40 Pfennig Kahnfahren auf dem Steinbrecher Weiher angeboten wurden und was es mit dem Irrgarten-Wäldchen auf sich hatte. Einmal wurde in Refrath sogar eine Oper aufgeführt: Die Jungfrauen-Kongregation setzte im Saal Straßer Aschenbrödel in Szene.

Cäcilie Kraus-Kolter berichtet aber nicht nur von unbeschwerter Kindheit und Jugend, sondern auch von bedrückenden Kriegserlebnissen, vom Einzug der Amerikaner sowie von Hamstertouren in die nahe Stadt Köln. Im Kickehäuschen lernte sie nach dem Krieg ihren Mann kennen. Zur Hochzeit 1947 gab es ein Festmahl mit Linsensuppe; die Kinder kamen später im zugigen Krankenhaus im alten Bensberger Schloß zur Welt.

Cäcilie Kraus-Kolter hat sich alle Erinnerungen von der Seele geschrieben. Seit den 80er Jahren malt sie auch, vornehmlich historische Motive. Eines der Bilder wurde vor etlichen Jahren auf Initiative des damaligen Bundestagsabgeordneten Franz Heinrich Krey sogar in Bonn gezeigt. "Viele Anekdoten rühren nicht nur an, sondern regen auch zum nachdenklichen Vergleich an", schreibt Walter Busch im Nachwort.

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