Inhalt:

Bernhard

Das Rasseweib

Der Geizhals

Der seltsdame Weihnachtsmann

Die Begegnung

Die schöne Blonde

Die Geschichte des Großvaters

Die Neubers

Freitagabend

Grete

Inge und der Kaplan

Irren ist menschlich

Jetzt weiß ich's

Katja, nur ein Name ...

Liebes Finanzamt

Oma, erzähl' uns eine Geschichte

Pauline

Ich zahle

 

Irren ist menschlich ...

Die Schlange an der Kasse wollte kein Ende nehmen. Jetzt endlich aber war Hanna dran, zahlte, verstaute das Eingekaufte in ihren beiden Taschen und verließ den Lebensmittelmarkt. Sie trat hinaus auf den Vorplatz und blinzelte in die grelle Julisonne. Es war Sonnabendmorgen, erst halb zehn und schon wieder so heiß.

Sie bog um die Ecke und lief zwischen den Wohnblöcken hindurch.

Drüben auf dem Parkplatz vor den Garagen war wieder etwas los. Diesen kleinen Platz neben den Wohnblöcken hatten sich die Männer in stiller Übereinkunft angeeignet. Einverleibt, wie man so schön sagt. Der Parkplatz war für sie zum beliebten Treffpunkt geworden. Hier fachsimpelten sie, tauschten Ratschläge und Werkzeug, halfen sich gegenseitig beim Reparieren und so mancher Witz machte seine Runde. Ebenso die Bierflaschen.

Da war er wieder! Erhard lag unter dem Auto und schraubte daran herum. Nicht, daß Hanna etwas dagegen hatte. Nein, bei weitem nicht. Das taten doch die anderen Männer aus der Nachbarschaft auch. Und zwar mit Vorliebe und völliger Hingabe.

Nein, nein, das ärgerte Hanna nicht. Was sie so in Rage brachte, war wie er da lag! Nur mit der Turnhose bekleidet kroch er unter die Karosse, winkelte die Beine an und ließ den Wind durch die knappen, ausgebeulten Hosenbeine blasen. Und jeder, der einen Blick da hineinwerfen wollte, konnte das tun. Ohne die Augen zu verdrehen oder gar das Kreuz krummzubiegen! Nein, man sah ganz einfach zu dem einen Hosenbein hinein und zum anderen wieder hinaus. Wie oft hatte sie sich schon darüber geärgert, wenn die Kinder verschämt um das Auto hüpften oder einige der Nachbarinnen Stielaugen bekamen. Da mußte doch so manche dreimal in einer halben Stunden sehen, ob ihre schon Wäsche trocken war! Und er? Er dachte sich überhaupt nichts dabei. So wie er den Schraubenschlüssel in die Hand nahm, war's vorbei mit dem Verstand. Abgeschaltet. Ganz einfach abgeschaltet hatte er dann das Hirn. Die grüne Turnhose verfolgte Hanna schon im Traum, doch damit war jetzt Schluß! Mit einem Ruck stellte sie ihre Taschen ab, bückte sich und steckte mit forscher Hand das in die Hose, was hinein gehörte, statt rauszubaumeln. Mit festem Griff zog sie noch die abstehenden Beinausschnitte etwas herunter, nahm ihre Taschen und stakte wutentbrannt dem Hauseingang entgegen. Sicher hatten jetzt duzende neugierige Augenpaare Hannas rigoroses Vorgehen beobachtet. Aber das war ihr egal. Die sollten ihren Männern in die Hosen gucken. Was da bei Erhard aus der Hose guckte, gehörte ihr. Gestern war es jedenfalls noch so!

Mit dem Ellenbogen drückte Hanna die Klinke herunter, schob mit dem Knie die Tür auf und stieg die Treppe hinauf. Oben angekommen kramte sie den Wohnungsschlüssel hervor, ließ das Schloß aufschnappen und bugsierte ihre Taschen in die Küche. Und während sie sie auspackte, ließ Hanna ihrer Wut freien Lauf. Sie moserte und schimpfte vor sich hin. "Na wart' nur, mein Lieber! Wenn du nachher zum Essen kommst werd' ich dir noch 'ne Abreibung verpassen, die sich gewaschen hat!"

Sie knallte sich die flache Hand vor die Stirn, schüttelte den Kopf und fuhr mit ihrem Selbstgespräch fort: "Man muß doch mal selber merken, daß es drüben rein- und hüben wieder rauszieht! Und ruf mir nachher bloß nicht rauf: Ich hab' noch keinen Hunger, Hannilein. Bring' mir nur ein Bier herunter." Hanna äffte ihren Mann nach, wiegte übertrieben den Kopf hin und her und fuhr fort: "Wenn du glaubst, du kannst dich drücken, irrst du dich. Dir les' ich die Leviten, wart's nur ... "

"Sag mal, mit wem quasselst du denn eigentlich die ganze Zeit?" Hanna fuhr erschrocken herum. Die Packung Eier, die sie eben in den Kühlschrank befördern wollte, krachte auf den Boden. Erhard stand hinter ihr! Leibhaftig ihr Erhard! Sie sah ihn an, stürzte zum Fenster und - da lag er. Wie vorhin. Die nackten Beine lugten unter der Karosserie hervor wie gerade eben. Sie drehte langsam den Kopf und äugte ungläubig zu Erhard. Er stand da und guckte, als wär' sie nicht ganz dicht. Und das zeigten auch seine kreisenden Handbewegungen, die er voller Überzeugung vor seinem Kopf ausführte. "Was ist los? Bin ich ein Geist oder seh' ich so schrecklich aus? Und was gibt's da unten zu sehen?"

Hanna sank auf den Stuhl, ihr wurde schlecht. Mehrmals versuchte sie Erhard zu erzählen, was in ihrem Kopf vorging. Aber ihre Gedanken waren schneller als ihre Zunge. Hannas rasante Hirnströme erreichten die Zunge nicht. Die Verbindung schien gekappt. "Du ... ich meine, du liegst doch ... äh, Erhard ... ", stotterte Hanna. Und weil es mit der Sprache noch nicht klappte, erhob sie sich und zeigte vorsichtig in Richtung Fenster. Der gekrümmte Zeigefinger deutete an: Da unten.

Erhard blickte verständnislos drein. Das Verhalten seiner Frau fand er mehr als befremdlich und so kam ihm seine Frage etwas barscher über die Lippen, als er es eigentlich gewollt hatte: "Ja mein Gott, was soll denn da unten sein? Nun red' doch endlich mal!" Dabei beugte er sich über Hannas Schulter und meinte lässig: "Da unten liegt Klaus. Und was ist nun dabei? Darf er das nicht?!"

"Erhard ... Erhard, ich wollte doch nur ... " Mit diesen Worten sprang Hanna davon. Sie drängte sich an Erhard vorbei, lief hinaus aus der Wohnung und eilte die Treppe hinunter. Erhard rannte ihr völlig verdattert, aber nichts Gutes ahnend hinterher.

Sie trafen gleichzeitig bei ihrem Auto ein. Und als Hannas verzweifeltes Klaus-Klaus-Gerufe nichts brachte, packte Erhard seinen Kumpel an den Füßen und zog ihn unter dem Wagen hervor. Klaus lag selig wie ein Kind im tiefsten Schlummer. Nur die Platzwunde und die dicke Beule an der Stirn zeigten, daß er nicht ganz so friedlich und freiwillig eingeschlafen war.

Nachbar Klaus wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Anschließend durfte er sich eine ganze Woche lang zu Hause erholen. Der Arzt meinte, auf den Schock hin bräuchte Klaus das. Hanna hat sich vorgenommen nie wieder einen Mann anzufassen, ohne vorher sein Gesicht gesehen zu haben. Und Erhard? Ich sah ihn letztens wieder unter dem Auto liegen.

Mit oder ohne Slip unter der grünen Turnhose, wollen Sie wissen? Na da müssen Sie schon selber gucken ... 

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